Die Gebrüder Wright, Louis Blériot, das sind Personen, an die man denkt, wenn von den ersten Flugversuchen die Rede ist. Doch kaum einer hat Clenn Hammond Curtiss auf der Rechnung, obwohl er einer der wahren Urväter der Fliegerei war und seine Kollegen  oft ganz schön alt aussehen ließ.

Curtiss wurde am 21. Mai 1878 in Hammondsport, New York, geboren. Die Jugend mag von religiös geprägter, gottesfürchtiger Strenge bestimmt gewesen sein; der Großvater war Methodistenpfarrer. Der junge Glenn war phantasievoll und technisch begabt. Früh befasste er sich mit der Konstruktion von Fahrrädern und hatte als Radrennfahrer erste Erfolge.

Doch die Geschwindigkeit per Pedalantrieb reichte ihm bald nicht mehr aus. Er begann an Motorrädern herumzuschrauben. Improvisieren konnte er offenbar ausgezeichnet. So wird berichtet, dass er 1901 aus einer alten Konservendose einen funktionsfähigen Vergaser baute. Bereits 1903 erzielte er mit 103 Stundenkilometern einen Geschwindigkeitsweltrekord für Zweiräder. Wesentliche Teile seines Motorrades hatte er selbst konstruiert. Nur vier Jahre später schaffte er mit einem Vierliter-V8-Motor sensationelle 218 km/h. Damit war er der schnellste Mann seiner Zeit

Für Technikhistoriker ist Curtiss jedoch aus einem ganz anderen Grund von Bedeutung: Er erwarb im Juni 1911 die erste Fluglizenz. Damit war er den Gebrüdern Wright voraus; deren Pilotenscheine trugen nämlich die Nummern vier und fünf.

Zur Luftfahrt war Glenn Hammond Curtiss durch das Zusammentreffen mit Thomas Scott Baldwin gekommen. Baldwin war Zirkusartist und träumte davon, ein motorisiertes Luftschiff zu fliegen. Bislang hatten sich aber alle Motoren als zu schwach erwiesen. Von Curtiss versprach er sich einen Motor mit ausreichend Power, um abheben zu können.

Er ließ sich in Hammondsport nieder und beide entwickelten gemeinsam. Mit Erfolg, denn schon 1908 kaufte das U.S. Army Signal Corps ein erstes Luftschiff.

Als Entwicklungsingenieur wagte sich Glenn Curtiss auch zunehmend selbst an den Steuerknüppel, um neue Flugmaschinen selbst zu erproben. Und ebenso, wie bei den Motorrädern, ließ er nichts unversucht, um seine fliegenden Kisten schneller zu machen.

Curtiss war vom kommerziellen Potenzial des Flugzeugbaus überzeugt. 1907 trat er der Aerial Experiment Association bei. Durch den regen Austausch unter Fachleuten, konnte er wichtige Trends erkennen. Um auch wirtschaftlichen Erfolg zu haben, musste man bekannt werden. Und das ging am besten durch die Teilnahme an Wettbewerben. 1908 gewann Curtiss mit seinem Doppeldecker „June Bug“ die Scientific American Trophy. 1909 wurde in Reims, Frankreich, das erste internationale Flugrennen ausgetragen. Curtiss war dabei und siegte. Er nahm nur am letzten der sieben Wettflüge teil und gewann auf Anhieb die Gordon Bennett Trophy. Der Doppeldecker war mit 50 PS zwar nicht so schnell, wie die konkurrierenden Eindecker, kam aber deutlich schneller um die Kurven, was letztlich für den Sieg entscheidend war. Einer der Gegner war Louis Blériot, der gerade erfolgreich den Ärmelkanal überflogen hatte.

Mit seiner neuen Maschine „Gold Bug“ schaffte Curtiss in den Staaten einen 25-Kilometer-Rundflug, anschließend verkaufte er sie an die New York Aeronautic Society, die kommerzielle Flugzeugherstellung begann. Im selben Jahr gründete Curtiss auch die erste Flugschule der USA. Denn wer Flugzeuge kaufte, musste auch damit umgehen können

Immer auf der Jagd nach neuen Geschwindigkeits- und Streckenrekorden sezte Curtiss nun alles daran, eine Art Henry Ford der Flugzeugentwicklung zu werden. In diesem Zusammenhang kam es, wie zu erwarten war, auch zu Patentstreitigkeiten mit den Gebrüdern Wright, die bislang überwiegend im Verborgenen gearbeitet hatten und öffentlichen Vorführungen eher aus dem Wege gegangen waren.

1910 flog Curtiss von Albany nach New York. Das war immerhin eine Distanz von 220 Kilometern. Ein Ereignis, dass in den damaligen Medien stürmisch gefeiert wurde. Curtiss landete auf dem Titelblatt der New York Times und erhielt ein Preisgeld von 10.000 Dollar. Der steigende Bekanntheitsgrad beflügelte das Geschäft. 1911 erwarb die Navy bei Curtiss das erste Wasserflugzeug. Damit hatte er eine völlig neue Produktidee erfolgreich in die Praxis umgesetzt.

1917 waren in der Curtiss Aeroplane and Motor Company über 20.000 Menschen an zwei Standorten, in Hammondsport und in Buffalo, NY,  beschäftigt. Es kam zu einer eindrucksvollen Serienproduktion, in deren Verlauf bis zum Jahresende 1918 mehr als 10.000 Maschinen gefertigt worden waren.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges ging die Nachfrage nach Flugzeugen zurück. Die Stückzahlen sanken. Dafür wurde jetzt der Bau von Flugbooten forciert. Mit dem Typ NC-4 gelang 1919 die Atlantiküberquerung. Wieder ein entscheidender Meilenstein der Fliegerei. In den Jahren 1923 und 1925 gewannen Curtiss-Flugzeuge die begehrte Schneider Trophy.

Glenn Hammond Curtiss widmete sich nun auch Landerschließungs- und Immobilienprojekten in Florida, wo er maßgeblich am Entstehen mehrerer Gemeinden beteiligt war. Im Alter von 52 Jahren starb er am 23. Juli 1930.